Besuch von Ed Erlanger
9. Mai 2019
Die Guntersblumer Stolpersteingruppe begrüßte einen „alten Bekannten“ aus den USA
Im Mai 2014 besuchte Edgar „Ed“ Erlanger, welcher im Jahr 1940 in den USA geboren wurde, zum ersten Mal die Heimatgemeinde seiner Eltern Lothar und Wilhelmina Erlanger, seiner Großeltern Samuel und Wilhelmine „Minna“ Erlanger, sowie seiner Geschwister Hannelore, Marga, Fritz und Ellen. Ed Erlangers Eltern und Geschwister konnten im Jahr 1938 in die USA fliehen und kamen am 11. November 1938, einen Tag nach dem Novemberpogrom, in New York an. Seine Großeltern Samuel und „Minna“ folgten ihnen Anfang 1939 und trafen erst eineinhalb Jahre später mit der Familie zusammen.
Der erste Besuch Guntersblums im Jahr 2014 hatte Edgar Erlanger so sehr beeindruckt, dass er im Mai 2015 zusammen mit seinen beiden Söhnen, seinen Schwiegertöchtern, sowie mit seiner Nichte und dessen Ehemann erneut zu Gast war. Nach vier Jahren besuchte er in diesem Jahr wieder im Rahmen einer Deutschlandreise gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Guntersblum. Wie schon bei seinen Besuchen in den Vorjahren wurde er von Herrn und Frau Rück begleitet, seinen Verwandten aus Nastätten.
Aufgrund des am Besuchstag herrschenden Dauerregens konnte das von den Besuchern mit der Stolpersteingruppe verabredete Besuchsprogramm leider nur eingeschränkt durchgeführt werden. Nach dem Zusammentreffen im Rathaus und einem ersten Gedankenaustausch begleiteten die Mitglieder der Stolpersteingruppe die Besucher zu dem ehemaligen Ladengeschäft der Familie Erlanger in der Hauptstraße 37. Nach vorheriger Absprache mit dem heutigen Mieter, dem Änderungsschneider Brimko, konnten die Besucher sich einen Eindruck von den ehemaligen Geschäftsräumen ihrer Vorfahren machen. Edgar Erlanger und seine Begleiter/Innen waren total begeistert. Hatten sie vor vier Jahren, nach einem „Blitzauszug“ der damaligen Mieter, noch sehr renovierungsbedürftige Räumlichkeiten gesehen, so strahlten die Geschäftsräume des aus Syrien stammenden Schneiders nun in vollem Glanz. Edgar E. entdeckte auch alte Möbelstücke aus dem ehemaligen Laden seiner Großeltern, die er aus alten Fotos kennt, welche der Mieter frisch restauriert und funktional in sein Geschäft integriert hat.
Außerdem stellte Edgar auch eine Parallele her: seine Mutter war Hutmacherin und Schneiderin. Sie wurde als solche von seiner Großmutter Minna Erlanger eingestellt und beschäftigt. Dabei lernte sie seinen Vater kennen und die Geschichte nahm ihren Lauf. Es folgte die gemeinsame Flucht im Jahr 1938.Der heutige Mieter ist ebenfalls Schneider, musste vor vier Jahren aus seiner Heimat Syrien fliehen und arbeitet im ehemaligen Ladengeschäft von Eds Familie. Beim Abschied aus dem Laden dankte Edgar Erlanger Herrn Brimko für die Besichtigungsmöglichkeit und wünschte ihm viel geschäftlichen Erfolg und weiterhin eine erfolgreiche Integration.
Sehr positiv aufgenommen wurden von Edgar Erlanger und seinen Verwandten die von der Stolpersteingruppe in die vier seitlichen Schaufenster des ehemaligen Ladengeschäftes integrierten Schautafeln mit Fotos und Texten zum Leben der Familie Erlanger in Guntersblum.
Durch den Regen ging es weiter zur ehemaligen Synagoge, welche wir in Absprache mir den Besitzern des Domhofs besichtigen durften. Unser Teammitglied Pfarrer i.R. Dieter Michaelis erläuterte den Gästen die Geschichte der Synagoge, referierte über ihre ehemalige Ausstattung und das trauriges Ende mit dem Pogrom am 10.November 1938.
Bei dem abschließenden Besuch einer Straußwirtschaft, deren Kreuzgewölbe die Besucher sehr beeindruckte, ließ man in gemütlicher Runde den „feuchten“ Nachmittag Revue passieren. Edgar Erlanger und seine Begleiter bedankten sich für den interessanten Rundgang und die daraus resultierenden bewegenden Eindrücke. Mit Überreichung einer großzügigen Spende für die künftige Arbeit würdigte Edgar Erlanger und seine BegleiterInnen die Stolpersteingruppe für deren Einsatz und Engagement bei ihrer Arbeit gegen das Vergessen.
Hinweis: Dieser Text ist auch erschienen in der Wochenzeitung für die Verbandsgemeinde Rhein-Selz
"Rhein-Selz AKTUELL", Ausgabe 20/2019 vom 15. Mai 2019, Seite 26