Pogromgedenken 2022

„Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung“, Talmud

 

Anlässlich des 84. Jahrestages des Novemberpogroms in Guntersblum hatte die Stolpersteingruppe dazu eingeladen, den Demütigungsmarsch vom 10. November 1938 punktuell nachzugehen. Damals wurden 6 männliche jüdische Guntersblumer gezwungen stundenlang durch die Straßen, Gassen und Gässchen Guntersblums zu laufen. Dabei mussten sie die heiligen Gewänder und die heiligen Torarollen tragen, die zuvor von den Nazis aus der Synagoge geraubt wurden. Sie wurden verspottet, verhöhnt und schwer misshandelt. Während des demütigenden Marsches durch das Dorf wurden ihre Wohnungen zerstört und geplündert.  

Basis der Gedenkveranstaltung war die Anzeige von Ludwig Liebmann, einem der Überlebenden des „Schandmarsches“. Er konnte in die USA fliehen und hatte 1946 mit einem schriftlichen Bericht über die Vorkommnisse in Guntersblum Anzeige erstattet. Weitere Hinweise zum Schandmarsch erhielt die Stolpersteingruppe Guntersblum durch Fotos und Dokumente. Musikalisch begleitet wurde das Pogromgedenken durch Dr. Andrea Seilheimer und Ulrike Laubenheimer.

45 interessierte Frauen und Männer fanden sich auf dem Rathausplatz ein, um den schweren Gang der sechs Männer ansatzweise nachvollziehen zu können. Haltepunkte waren die jeweiligen Wohnungen der Opfer. Vor den Häusern erzählten Mitglieder der Stolpersteingruppe die Geschichte der Männer und ihren Familien.

Nach ca. 2 Stunden endete der Rundgang auf dem Rathausplatz. Während der Abschlussrede gingen die Mitglieder der Stolpersteingruppe auch auf die Täter ein. Erstmals wurden nicht nur die Namen der Opfer sondern auch die Namen der Täter genannt sowie die eher unrühmliche Strafverfolgung ab dem Jahr 1948. Die Täter wurden letztendlich teilweise als „Mitläufer“ eingestuft und mit milden Strafen belegt.

Die Stolpersteingruppe Guntersblum hat im November 2019 eine Gedenktafel zur Erinnerung an den Schandmarsch am 10. November 1938 am Rathaus Guntersblum angebracht.